|
ehe man es sich versieht, sind wir schon bei der letzten Newsletter-Ausgabe vor Weihnachten gelandet. Andere Newsletter geben in diesen Tagen gerne Last-Minute-Geschenktipps. Ich bin leider sehr schlecht darin, ich habe selbst noch lange nicht alle Geschenke beisammen. Und ein Newsletter voller Produktempfehlungen wäre auch etwas seltsam auf diesem öffentlich-rechtlichen Kanal.
Um Weihnachten als Anlass kommen wir hier allerdings nicht herum, weswegen ich mir gerade dachte: Warum nicht mal versuchen, das Konzept Weihnachten in unser Diskursklima einzubetten? Eigentlich ist das ja der klassische Weihnachtspredigt-Move, wenn Pfarrer Sätze sagen wie: "Im Prinzip war Jesus sowas wie der erste Influencer." Ich will es heute aber eher etwas unversöhnlicher versuchen. Meine These ist nämlich, ganz im Sinne der Kürzungen in allen Lebensbereichen: Weihnachten muss weg, wir können uns das einfach nicht mehr leisten.
Rein softpower-technisch mag Weihnachten ja ein internationaler Exportschlager sein. Aber schauen wir uns das Verhalten der Menschen an Weihnachten doch mal an. Anstatt das deutsche Bruttosozialprodukt anzuschieben, ziehen sie sich zu ihren Familien zurück. Sie liegen faul auf dem Sofa herum oder tun ihren Mitmenschen Gefallen, die sich kosten-nutzen-technisch nicht im Geringsten rechnen. Kaufen sie dabei wenigstens deutsche Produkte, mag das vorübergehend Wachstumsimpulse auslösen. Ein Problem aber bleibt: Die Geschenke gehen zumeist an arbeitslose Kinder, die für ihre Faulheit somit auch noch belohnt werden! Eine Umverteilung, die völlig falsche Anreize setzt.
Auch vom Sparen ist an Weihnachten trotz leerer Kassen überhaupt keine Rede, im Gegenteil. Während die Weltwirtschaft an uns vorbeizieht, geben wir mit unserem Feiertags-Sozialismus Unmengen an Geld aus, den Schuldenberg überlassen wir kommenden Generationen. Den Gürtel enger schnallt in diesen Tagen niemand, es regiert die Völlerei! Alle essen zu viel, was das Gesundheitssystem unnötig belastet. Dafür nehmen sie sich auch noch tage-, wenn nicht sogar wochenlang frei. Ohne Not bleiben Läden, Büros, Betriebe geschlossen, zwei Weihnachtstage, Neujahr und Dreikönig treiben die deutsche Produktivität in den Keller, während man in China über uns lacht.
Ich plädiere daher dafür, das Weihnachtsfest bis spätestens 2027 abzuwickeln und die jahrelang beschenkten Kinder zu einem Pflichtjahr für die entstandenen Verluste einzuziehen. Denn, stille Nacht hin oder her: Mit diesem Fest der Faulheit werden wir im globalen Wettrennen nicht bestehen können.
Falls euch diese Brandrede zur Rettung des deutschen Wohlstands nicht überzeugt hat, hier noch die Empfehlungen für eben jene Tage, die ihr bitte – jetzt mal im Ernst – natürlich ausschließlich für unproduktives Verhalten nutzen solltet.
An Weihnachten stellen sich viele die Frage, wie sie "in diesen Zeiten" mit manchen Verwandten umgehen sollen, da die Gesellschaft ja – wie wir fast täglich hören – so sehr gespalten ist. Der Soziologe Nils Kumkar kommt in seinem Buch "Polarisierung" zu dem Schluss, dass die Meinungen der Menschen tatsächlich weit weniger auseinanderdriften als oft angenommen. Das ist doch beruhigend. Dieses Gespräch mit ihm im Dissens-Podcast fand ich sehr erhellend. Wer es kürzer mag: Auf Bayern 2 hatten wir ihn bereits im September gesprochen.
In Japan gibt es wiederum Menschen, die ganz mit ihrer Familie brechen und eine neue Existenz am anderen Ende des Landes aufbauen, die sogenannten Jōhatsu. Sie fliehen vor ihren Partnern, korrupten Arbeitgebern oder ihren Schulden. Für die Existenzflucht gibt es eigene Unternehmen, die sich euphemistisch "Nachtumzugs-Agenturen" nennen. Diese sehr tolle arte-Dokumentation hat einige dieser Menschen begleitet und ist noch eine Woche online. Zugegeben ist das kein allzu besinnliches Thema, daher hier eine kleine Warnung: Es geht auch um Suizid und andere belastende Dinge.
Und zum Schluss noch meine Antwort auf die Frage, welche Musik man unterm Weihnachtsbaum auflegen kann, ohne die Verwandtschaft zu verstören. Was Entspanntes, das ansatzweise jedem gefällt, ohne eine x-beliebige Spotify-Chillout-Playlist zu sein. Meine Wahl dieses Jahr: "Sakamoto on Guitar" vom Münchner Gitarristen Jonathan Bockelmann. Er hat Klassiker, aber auch unbekanntere Stücke von Ryuichi Sakamoto (schon wieder Japan, sorry!) für die Gitarre interpretiert und spielt dabei so haarscharf am Kitsch vorbei, dass es für Weihnachten genau passt.
Und nun wünsche ich euch fröhliche, faule Feiertage, ich melde mich nächste Woche noch einmal zur letzten Ausgabe 2025!
|